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Jan 2018

Deutsche Wörter aus dem Hebräischen – oder aus dem Jiddischen?

Wenn Menschen gehoben parlieren, fällt so manches Fremdwort. Die meisten der Begriffe lassen sich recht schnell als dem Altgriechischen oder dem Latein entlehnt identifizieren, manche Wörter kommen aus dem Französischen. Aber so mancher sehr spezielle Begriff hat einen ganz anderen Ursprung:

Die jiddische Sprache hat ihre Spuren im Deutschen hinterlassen. Oder ist es umgekehrt? Jiddische Wörter im Deutschen werden ganz selbstverständlich gebraucht und oft eher in der Alltagssprache als im gehobenen Kontext verortet. Aber was ist nun eigentlich Jiddisch, was ist Hebräisch?

Jiddische Sprache ist eigentlich Deutsch – oder doch nicht?

Mit dem alten oder auch zeitgenössischen Hebräisch hat die jiddische Sprache nicht so viel zu tun. Jiddisch, auch als Jiddisch-Daitsch oder Jiddisch-Deutsch bezeichnet, wird seit etwa 1.000 Jahren von den aschkenasischen Juden in Europa gesprochen. Die Sprache entwickelte sich aus dem Mittelhochdeutschen heraus und ist mit Elementen aus dem Hebräischen, aus verschiedenen slawischen und romanischen Sprachen sowie aus dem Aramäischen angereichert. Man unterscheidet zwischen West- und Ostjiddisch, und beide Sprachen können noch einmal in weitere Sonderformen unterteilt werden, die jeweils regional gesprochen werden. Dialekte also, wenn man es so will.

Westjiddisch begann bereits im 18. Jahrhundert auszusterben, Ostjiddisch wurde von den Juden in Osteuropa aber noch gesprochen. Hier fand der endgültige Einschnitt erst mit dem Holocaust statt. Heute sind es überwiegend sehr betagte jüdische Osteuropäer/-innen, die die Sprache noch beherrschen. Sprechergruppen findet man heute in New York und einigen Vororten, in Montreal, Antwerpen und London, Jerusalem und erstaunlicherweise im Elsass. Man geht heute von 1,5 Millionen Sprechern und Sprecherinnen des Ostjiddischen aus, gegenüber etwa 5.000 Sprechern und Sprecherinnen des Westjiddischen (überwiegend Elsass). Jiddisch wird an insgesamt sechs Lehrstühlen an Universitäten unterrichtet, davon befinden sich zwei in Deutschland (Trier und Düsseldorf). Geschrieben wird Jiddisch mit dem hebräischen Alphabet, kann aber auch mit Lateinischen Buchstaben transkribiert werden. Das findet man in einigen Jugendromanen, die sich mit Einzelschicksalen während des Dritten Reichs beschäftigen (beispielsweise in „Der gelbe Vogel“). Religiöse Texte, Theater, weltliche Literatur und mehr werden bis heute auf Jiddisch verfasst.

Hebräische Sprache hat mit Deutsch nicht viel zu tun

Die eigentliche hebräische Sprache gehört zu den afroasiatischen Sprachen, oft auch als semitisch-hamitische Sprachfamilie bezeichnet. Die Sprache ist eigentlich eine tote Sprache, bekannt aus biblischen Texten und alten religiösen Schriften. Allerdings wird seit dem späten 19. Jahrhundert versucht, Hebräisch als jüdische Nationalsprache in Palästina zu etablieren. Aus diesen Bemühungen heraus entstand das moderne Hebräisch, das sich in Schriftbild und Morphologie kaum, in Syntax und Vokabular aber erheblich von der klassischen Sprache unterscheidet. Gesprochen wird modernes Hebräisch in Israel, gelehrt wird die Sprache aber inzwischen weltweit. Deutsche Wörter aus dem Hebräischen sind meist (aber nicht immer) über das Jiddische in die deutsche Sprache aufgenommen worden. Außerdem lassen sich Einflüsse auf Sprachen wie Judao-Arabisch, Ladino, Juzmo und andere von Juden in der Diaspora gesprochene Sprachen festmachen.

Jiddische Wörter im Deutschen und deutsche Wörter aus dem Hebräischen

Die genauen sozial-linguistischen Verwicklungen sollen an dieser Stelle nicht beleuchtet werden, aber die Art der hebräischen und jiddischen Wörter im Deutschen ist doch bemerkenswert. Da redet man einerseits vom Gauner (über das rotwelsche Wort „Joner“ für Falschspieler ins Deutsche gelangt),  vom Abzocken (Jiddisch, heutige Bedeutung: jemanden übervorteilen oder besiegen, ursprüngliche Bedeutung: lachen), man hat Bammel (Hebräisch: Furcht vor Baal) und trinkt in der Beize (häufige Bezeichnung der Eckkneipe, Jiddisch von „Bajis“, bedeutet wörtlich Haus).

Wenn Menschen dagegen als betucht bezeichnet werden, hat das mit dem sprichwörtlichen Tuch oder dem Textilhandel wenig zu tun. Der Ausdruck kommt ebenfalls aus dem Jiddischen, „betuch“ bedeutet vertrauenswürdig. Wer allerdings jemanden einseift, will betreffende Person in der Regel weder reinigen, noch rasieren. Der Begriff kommt von „sewel“, dem hebräischen Ausdruck für Dreck, Mist oder Kot. Genauso wenig hat der Begriff geschlaucht etwas mit dem wortwörtlichen Schlauch zu tun: Das jiddische Wort „schlacha“ bedeutet zu Boden werfen, man redet also von einem überaus erschöpften Zustand.

Und sogar beim Hals- und Beinbruch wünscht man niemandem einen längeren Aufenthalt im Krankenhaus (und nein, ironisch ist das eigentlich auch nicht), sondern es handelt sich um eine Verballhornung des Hebräischen „Hazlacha uwracha“, wörtlich übersetzt „Erfolg und Segen“. Sogar dann, wenn es wie Hechtsuppe zieht, geht es keinesfalls um ein norddeutsches Gericht, sondern um starken Wind. Zumindest im Jiddischen: „hech supha“. Allerdings wird hier ein Einfluss einer bislang noch nicht näher identifizierten Sprache auf das Jiddische angenommen, denn der Ausdruck wäre so grammatisch und morphologisch im Jiddischen nicht möglich. Die deutsch-jiddischen Beziehungen sind also zumindest auf sprachlicher Ebene noch nicht ganz geklärt …

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